Klimawandel trifft vorwiegend Mädchen und Frauen
Der Klimawandel ist nicht geschlechtsneutral. Er betrifft Mädchen und Frauen besonders. Mehr noch: Die Umweltkrise verschärft bereits bestehende Muster der Diskriminierung und Gewalt gegen Frauen und Mädchen. Deshalb müssen Geschlechtergerechtigkeit und Klimapolitik gemeinsam angegangen werden.
In vielen Ländern der Welt sind Frauen und Mädchen für den Lebensunterhalt der Familie verantwortlich. Nach Angaben der Vereinten Nationen sind in einem Grossteil der Haushalte, in denen es kein Wasser auf dem Grundstück gibt, Frauen und Mädchen für die Wasserbeschaffung zuständig. Es liegt auf der Hand, dass der Klimawandel sie besonders und ganz konkret trifft: Sie müssen immer weitere Strecken zurücklegen, um ans lebensnotwendige Wasser zu kommen. Die Wege sind oftmals beschwerlich; die Frauen und Mädchen laufen Gefahr, überfallen oder sexuell missbraucht zu werden.
Auch in der Landwirtschaft sind Frauen in Ländern mit niedrigem bis mittlerem Einkommen überproportional stark vertreten. Bleibt der Regen aus, wird die Ernte magerer, weshalb die Frauen härter arbeiten müssen, um das Einkommen für ihre Familien zu sichern. Dies erhöht den Druck auf Familien, ihre Mädchen aus der Schule zu nehmen, damit diese ihren Mütter bei der Bewältigung der Mehrbelastung helfen können.
Auf Wasserbeschaffung statt in der Schule: Mädchen in der Somali-Region, Äthiopien
Verletzlichkeit durch Vertreibung
Je ärmer die Familien, umso weniger verfügen sie über die Ressourcen, die nötig wären, um sich an den Klimawandel anzupassen und den Schutz ihrer Lebensgrundlage und ihres Wohlergehens zu gewährleisten. Viele Familien sehen einen Ausweg darin, ihre Mädchen bereits als Kinder zu verheiraten: Verheiratete Töchter müssen nicht mehr ernährt werden.
Trotz allen Anpassungsstrategien müssen viele Menschen irgendwann ihre Heimat verlassen, um ihr Überleben zu sichern. Schätzungsweise 80 Prozent der Menschen, die durch den Klimawandel vertrieben werden, sind Frauen, so die UNO. Wenn Frauen vertrieben werden, sind sie einem grösseren Risiko von Gewalt, einschliesslich sexueller Gewalt, ausgesetzt, etwa während sie in Notunterkünften, Zelten oder Lagern schlafen, sich waschen, baden oder anziehen. Wer mit wenig oder keinen Ressourcen an einem unbekannten Ort unterwegs ist, ist rasch gezwungen, ungewollte sexuelle Beziehungen einzugehen, um beispielsweise an Geld für Transportkosten oder Essen zu gelangen. Dadurch steigt - von den psychischen Folgen ganz zu schweigen - die Gefahr von ungeplanten Schwangerschaften und sexuell übertragbaren Krankheiten. Die vulnerable Situation der Frauen macht sie zudem anfälliger, Opfer von Menschenhandel zu werden.
Geschlechtergleichstellung als Voraussetzung
Die Beispiele oben zeigen: Dass Frauen überproportional stark vom Klimawandel betroffen sind, ist kein Zufall. Es ist das Resultat von geschlechterspezifischen Rollen und Stereotypen, welche historisch und geografisch geprägt sind. Die UNO-Organisation zur weltweiten Stärkung der Frauen, UN Women, schreibt dazu, immer mehr Daten und Forschungsergebnisse würden den eindeutigen Zusammenhang zwischen Geschlecht, sozialer Gerechtigkeit und Klimawandel aufzeigen. Bei der Bekämpfung des Klimawandels ist es deshalb wichtig, die Massnahmen geschlechtssensibel zu gestalten und parallel dazu die Geschlechtergerechtigkeit anzugehen. Frauen müssen in ihrere gesellschaftlichen Position gestärkt, Vorurteile müssen aufgebrochen und der Zugang zu lebensnotwenigen Ressourcen für Mädchen und Frauen muss verbessert werden. Die Gemeinschaften brauchen zudem lokal verfügbare Lösungen, um ihre Anpassungsfähigkeit an klimatische Extremereignisse zu stärken. Die Frauen könnten viel zur Bekämpfung des Klimawandels und zur Lösungsfindung beitragen, gerade weil sie stark betroffen sind. Es ist daher unabdingar, dass sie auch als Wissensträgerinnen wahrgenommen und - beispielsweise durch Bildung und gezielte Förderung - als Entscheidungsträgerinnen gestärkt werden.
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Titelbild: Mädchen und Frauen graben in einem Flussbett im Tschad nach Wasser; Foto: Salomon Djekorgee Dainyoo/WHI/Fairpicture
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«Der Klimawandel ist nicht nur eine ökologische Krise, vielmehr wirft er grundsätzliche Fragen nach Gerechtigkeit, Wohlstand und Gleichstellung der Geschlechter auf. Neue Erkenntnisse zeigen, dass die negativen Auswirkungen des Klimawandels weltweit alle Arten von geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen und Mädchen verschlimmern.»
Reem Alsalem, UN-Sonderberichtserstatterin für Gewalt gegen Frauen und Mädchen