Nur zwei auf Operationen spezialisierte Spitäler und eine Handvoll praktizierende Ärzte: Im Tschad sind die Behandlungsmöglichkeiten für Frauen mit sogenannten Geburtsfisteln rar. Seit zehn Jahren im Land präsent, bauen wir von Women’s Hope International unsere Arbeit nun aus, um diese Lücke zu schliessen. 

Am Anfang von Women’s Hope International stand eine tiefe persönliche Betroffenheit. Vor mehr als zwanzig Jahren waren Claudia und Martin Leimgruber während drei Jahren als Hebamme und Arzt im Tschad tätig. Dabei trafen sie auf viele Frauen, die nach einer schwierigen Geburt mit geburtstraumatischen Verletzungen – Geburtsfisteln – und deren Folgen leben mussten. Aussergewöhnliche Strapazen während der Geburt hatten bei den Frauen innerliche Gewebeverletzungen zur Folge, wodurch sie fortan konstant Urin oder gar Stuhl verloren.

Auch heute treten im zentralafrikanischen Land, das zu den ärmsten weltweit zählt, jährlich noch immer bis zu 1000 neue Fälle von sogenannten Geburtsfisteln auf. Betroffene Frauen werden mit ihrem körperlichen und psychischen Schmerz weitestgehend alleingelassen. Weil die Problematik wenig bekannt ist, bleiben viele Fälle unerkannt, und die Frauen ziehen sich zurück. Dabei wären Geburtsfisteln in der Regel gut heilbar. Allerdings gibt es im Tschad derzeit nur zwei funktionierende Behandlungszentren und acht Ärzte, die entsprechende Operationen durchführen. 

Gezielte Intervention – nachhaltige Wirkung

Rund 200 Frauen mit Geburtsfisteln werden jährlich im Universitätsspital in Abéché in unserer Projektregion operiert. Doch mit einer Operation allein ist es nicht getan, denn der Weg zurück in die Gesellschaft ist für Betroffene lang. Bewusst knüpfen wir mit unserem neuen Projekt an Bestehendes an und schliessen gezielt Lücken. 

Das Village des Femmes, das Behandlungszentrum für Fistelüberlebende in Abéché, befindet sich auf dem Gelände des Universitätsspitals Abéché. Es hat mit beschränkten Kapazitäten zu kämpfen: Es fehlt an Personal und Betten. Die Luft im Raum, in dem die Betroffenen während des Wartens auf ihre Behandlung wohnen, riecht streng. Essen ist Mangelware für diese Frauen, die sich ungern unter die Menschen begeben. 

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Bild: Aufenthaltszimmer im Village des Femmes.

Deshalb wird das neue Projekt als Erstes in die Aufnahmekapazitäten und personellen Ressourcen des Village investieren. Unsere Partner vor Ort werden unter anderem folgende Massnahmen umsetzen: 

Bau eines Gebäudes mit 16 zusätzlichen Betten; die ökologisch nachhaltige Bauweise entspricht jener der bereits bestehenden Geburtshäuser. 

Installation von Solarpanels, um Stromausfälle zu überbrücken und Energiekosten zu sparen. 

Einstellung verschiedener Fachpersonen: unter anderem eine Hebamme, eine Fachperson für psychosozialen Support und eine Köchin. 

Schulung eines Gynäkologen beziehungsweise einer Gynäkologin mit dem Ziel, dass nach zwei Jahren selbstständig Fisteloperationen durchgeführt werden können. 

Ein Grossteil der Frauen, die unter einer Fistel leiden, leben zurückgezogen und in Armut. Erfahrungen aus Projekten in unseren anderen Partnerländern zeigen, wie wichtig eine psychosoziale Begleitung für die Frauen ist. Wir stellen diese folgendermassen sicher: 

Begleitung der Frauen im Village durch eine psychologische Fachperson während ihres Aufenthalts und darüber hinaus. 

Ausbildung von besonders verletzlichen und marginalisierten Frauen – in Zusammenarbeit mit lokalen Organisationen –, damit diese künftig ihr eigenes Business aufbauen können. 

Wir sind überzeugt, dass wir mit diesen gezielten Interventionen die Situation von fistelbetroffenen Frauen und ihren Familien im östlichen Tschad massgeblich verbessern können.

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Fistelüberlebenden in Äthiopien besuchen einen Töpferkurs. Unsere Projektarbeit in Äthiopien zeigt eindrücklich, dass Rehabilitations- und Reintegrationsmaßnahmen für Fistelüberlebende einen nachhaltigen Weg zurück in ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen.

Titelbild: Eine Hebamme berät eine schwangere Frau im Tschad. Die medizinische Versorgung ist essenziell, um Geburtsfisteln zu verhindern. Salomon Djekorgee Dainyoo/WHI/Fairpicture.

Artikelbilder Juste Bationon, Ania Gruca.

Von Frauen zu Frauen

Tschad: Die Gemeinschaften bestimmen den Kurs

Die Ärztin Hapsita Mahamat von der lokalen Partnerorganisation BUNARGED, mit der wir das neue Projekt umsetzen, kämpft im Tschad seit mehreren Jahren gegen die Ungleichheit der Geschlechter. 

Was die Partnerschaft für ihre Organisation und sie persönlich bedeutet, liest du hier.

Neue Stärke statt Isolation. Fistelüberlebende schaffen sich Perspektiven.

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Fistelüberlebende im Osten des Tschads führen ein würdevolles und selbstbestimmtes Leben. Hier erfährst du mehr dazu: